In den ersten Sessions mit Sophia war der Ablauf klar festgelegt. Erst haben wir gekämpft, sie besiegte mich immer wieder, ich genoss ihre Griffe und am Ende der einen Stunde folgte eine Handentspannung. Es war ein wunderbares Ankommen, die erstmalige Möglichkeit, mit einer starken Frau auf der Matte meine Kraft zu erproben. Zweimal traute ich mich, mir im zweiten Teil ein dominantes Spiel zu wünschen. Wir verlängerten dafür auf eineinhalb Stunden, einmal benutzte sie die Gerte, einmal fesselte sie mich mit Seilen. Ich war dabei völlig passiv und empfangend, von gemeinsam spielen und improvisieren konnte keine Rede sein
Das änderte sich erst nach einer längeren Pause, Sophia hatte sich schwer am Ellenbogen verletzt. In dieser Auszeit wurde mir klar, was ich mit ihr wirklich wollte: Körperarbeit, mit ihr in den Schmerz gehen, der seit meiner Kindheit in mir festsaß. „Du kannst alles rauslassen in unserem Schutzraum, wenn Du im Gegenzug mein Stopp akzeptierst“, antwortete mir Sophia damals. So war unsere zehnte Session ein Neuanfang. Ich erhöhte die Zeit auf zweieinhalb Stunden, was uns Raum gab, nach dem Kämpfen und einer Pause einen zweiten Teil zu etablieren, in dem wir ohne Drehbuch miteinander spielten, frei den wechselseitigen Impulse folgend. In der zehnten Session fand ich den Mut, mich ihr in einem sexy weiblichen Outfit zu zeigen mit schwarzem Minikleid, halterlosen Strümpfen, High Heels Sandaletten, lackierten Zehen und Lippenstift. Herrin und Hure war unser erstes Spiel, doch noch lange kein Rollenspiel. Denn dafür braucht es eine gewisse innere Freiheit. Ich war noch mitten im Durcharbeiten meiner Geschichte und Entdecken meiner Wünsche, dabei voll Scham innerlich schwankend zwischen dem kleinen Jungen von früher und dem erwachsenen Mann, der seine weiche, weibliche Seite annehmen und lieben lernt.
Erst jetzt, nach 40 Sessions und dem Ende des Durcharbeitens, komme ich mit Sophia vollends in die Freude und das Genießen, Kämpfen und Spielen auf Augenhöhe, zeige ich ihr meine Lust, wachsen die Möglichkeiten dessen, was wir miteinander erkunden können, weil da so viel Verbindung und Vertrauen gewachsen ist über viereinhalb Jahre.
Für mich geschehen die Dinge nicht zufällig. Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass genau das auf einen zukommt, was das Richtige ist, auch wenn es sich manchmal zunächst anders anfühlen mag. Als Sophia jüngst in ihrem Blog einen wunderbar verlockenden Text über Rollenspiele veröffentlichte, trafen ihre Wörter und Sätze in mir auf eine große Resonanz. Ja, das will ich auch, unser bisheriges Spiel erweitern, bewusst in eine Rolle hineingehen, wie auf einer Bühne oder einem Filmset.
Der Wunsch zeigte sich riesengroß, meine Angst auch. „Wow, heiße Story. Du kennst mich doch, welche Rolle würdest du wählen in welchem Rollenspiel mit mir“, schrieb ich Sophia und wollte mich damit hinter ihren starken Schultern verstecken. Doch bereits ein paar Stunden später, war plötzlich klar, was ich mit ihr spielen wollte. Ein Rollenspiel, das zurückgeht auf die einprägsame Lektüre des Romans „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq. Ein kluges, vielschichtiges, prophetisches Buch, aber hier soll es nur um eine Szene gehen, die mir im Gedächtnis geblieben ist. Die Hauptfigur ist ein Professor und er wird zuhause von einer jungen Studentin besucht, die ein luftiges, kurzes Sommerkleid und High Heels Sandaletten trägt und ihm einen bläst. Die Szene ist intim erotisch beschrieben, ehrlich, ohne ins Pornografische abzugleiten. Ich erinnere mich, dass mein Schwarz hart wurde beim Lesen, was mir bei Romanen, egal welchen Inhalts, sonst nie passiert.
Und jetzt viele Jahre später steht mir das Szenario wieder vor Augen und ich will es aufführen auf meine Weise als Professor mit Sophia als meiner Studentin. Die Spielideen fließen aus mir heraus und unzensiert via Handy direkt in eine Mail und weg. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, Sophia weiß Bescheid und sie ist einverstanden. Oha, hatte sie im Blog nicht folgendes geschrieben, was in meinen Ohren wie eine Drohung klang: „Also mein lieber Leser, wenn du ein Rollenspiel möchtest, dann mach dich auf was gefasst.“
Vor der Session bin ich aufgeregt wie noch nie, schlafe kaum, muss nachts mehrfach auf die Toilette. Auf was habe ich mich denn da eingelassen, wie wird die Studentin mir entgegentreten, was wird sie mit mir wie anstellen. Denn klar ist: Wenn es losgeht, wird Sophia sich tatsächlich in diese Studentin verwandeln, liebevoll-diabolisch, wie ich es mir gewünscht habe. Kann ich da der Professor bleiben, in der Rolle bleiben oder falle ich zurück in das, was ich für mein Ich halte, meinen vermeintlich sicheren Hafen.
Zum Glück haben wir drei Stunden Zeit und kämpfen wir vorab auf der Matte, bevor dann das Rollenspiel beginnt, für das sich Sophia im Bad umzieht. Ihr Lächeln an der Tür, ihre einladende Art im Vorgespräch, die Freude beim Kämpfen, bei dem ich zwar nach Punkten verliere, aber auch zwei Submission schaffe, entspannen mich, die Vorfreude kann sich langsam ausbreiten.
Als Sophia dann ins Zimmer kommt, bin ich tatsächlich bereit für das Rollenspiel, trage selbst ein schwarzes Hemd mit roter Krawatte, aber untenrum nur einen ebenfalls schwarzen Tangaslip. Die Studentin kommt zu früh zum Gespräch über ihre Seminararbeit, überrascht mich, auch mit ihrem bezaubernden Outfit. Dunkelroter Lippenstift auf meinen Wunsch und die schwarzen, wunderbar filigranen High Heels Sandaletten, die ich ihr geschenkt habe. Die Fingernägel hat Sophia sich schwarz lackiert. Beide Farben, Rot und Schwarz, finden sich auch in ihrem karierten Minirock mit einer eingesetzten Lederschnalle an der Seite. Dazu trägt sie ein schlichtes weißes Top, bauchfrei und mit kurzen Ärmeln. Wow, ich bin hingerissen. So ein Outfit hätte ich mir nie gewünscht und doch ist es genau das richtige für unser Rollenspiel. Sie hat eine Mappe und einen Stift in der Hand, legt beides weg und sagt: „Ich habe keine Lust auf diese Theorie. Ich werde Dir praktisch zeigen, wie ein Rollenspiel funktioniert.“ Wir stehen uns herausfordernd, neckend mit Worten, berührend mit den Händen gegenüber. Wir vereinbaren einen Deal: Wenn mich ihr Rollenspiel überzeugt, gibt es die Note 1, wenn nicht, fällt sie durch!
Ich hatte mir gewünscht, dass die Studentin mich als ihren Professor auf der Matte überwältigt, dabei tritt und schlägt, mir den Atem nimmt, mich ins Ausgeliefertsein führt. Meine Studentin nimmt kurz Platz auf einem Stuhl und ich streife ihr die Sandaletten von den Füßen mit den dunkelrot lackierten Zehen. Sie bringt mich zu Boden, klar, aber ich spüre deutlich, sie hält ihre Energie noch zurück. Als sie auf mir sitzt, ändert sich das langsam. Ansatzlos fliegen Backpfeifen auf meine Wangen, mal mit der linken, mal mit der rechten Hand hart geschlagen. Kurz denke ich, wie stark mein Gesicht wohl gezeichnet sein wird am Ende, dann ist es mir egal. „Schaue mich an! Wenn du den Blick abwendest, schlage ich erneut zu, noch härter.“ Sie fordert mich heraus, mehr auszuhalten, hineinzugehen, doch in mir steigt Angst auf, ich verhandle, ich weiche aus. Meine Studentin kann ihren Anflug von Enttäuschung kaum verhehlen. Was für ein Weichei, der Gedanke steht ihr ins Gesicht geschrieben, ähnliches spricht sie aus, erinnern kann ich die Worte nicht mehr.
Ich locke sie in die mir bestens vertrauten Gewässer der Atemkontrolle, des Ausgeliefertseins. Die Studentin nimmt mich mit ihren Beinen in einen Triangle Choke, legt dabei den Rock über mein Gesicht, lässt ihre Beinmuskeln arbeiten mit mehr oder weniger Spannung. Später setzt sie sich auf mich und zieht ihr Shirt über den Kopf, lässt mich ihren Busen liebkosen, beugt sich nach vorne, nimmt mir die Luft mit diesen vollen und zugleich weichen Brüsten. Es entspannt mich sehr, aber war da nicht noch was, etwas Neues, ein Rollenspiel.
Warum auch immer, die Studentin steht irgendwann auf, ich glaube, sie wollte irgendein Accessoire holen. Sie steht neben mir und ich halte auf dem Rücken liegend einen ihrer Füße fest. Und die Studentin stellt diesen Fuß auf meinen Bauch, meinen Schwanz und schmerzhaft auf meinen Hals. Dann passiert etwas, was uns wieder hineinführt in unser Rollenspiel, ein kleiner Impuls mit großer Wirkung. Sie tritt mir mit den Füßen in die Seite, eine sanfte Aufforderung, die Position des passiven Genießers zu verlassen, des Professors, der sich mit Intellektualität die Welt vom Leib hält, die Position des Beobachters nie ganz aufgeben, nicht hineinspringen will ins Erleben des Moments ohne Wenn und Aber. Diese zarten, fast liebevollen Tritte, irgendwie erinnern sie ihn wieder an seinen bereits geäußerten Wunsch, beim Überwältigen getreten und geschlagen zu werden.
Ich folge meinem Impuls und springe auf, überrasche damit sogar die bezaubernde Studentin, die kurz versucht, mich aufzuhalten und es dann geschehen lässt. Ich stehe vor ihr und von irgendwo tief in meinem Körper steigen die Worte auf, warum auch immer: „Trete und schlage mich!“ Erlaube ich mir diese Worte, weil ich den Professor spiele, dem seine Studentin gegenübersteht, weil es damit diesen Abstand gibt zu mir selbst oder dem, was ich bislang für mein Selbst gehalten habe. Der Schauspieler Lars Eidinger sagte in einem Podcast, dass er den Beginn seiner Zeit an der Schauspielschule als Befreiung erlebt habe. Sinngemäß: An diesen Ort, konnte er so sein, wie er war und mehr noch, sich selbst entdecken über die verschiedenen Rollen, Anteile von sich leben, die im Alltag außerhalb der Bühne eben keinen Ort haben. Oder wie Sophia es so präzise in ihrem Blog formuliert: „In eine andere Rolle schlüpfen, warum sollte ich das tun? „Ich bin lieber ich selbst.“ Ach ja, bist du das? Bist du Du selbst? Oder schlüpfst du im Alltag auch immer wieder in eine Rolle? ‚Das ist etwas anderes, das kann man doch gar nicht miteinander vergleichen.‘ Warum nicht? Wenn du zu mir kommst, bist du da auch zuvor in eine Rolle geschlüpft oder bist du Du selbst?“
Es ist ein Genuss, von meiner Studentin verprügelt zu werden. Ich will es, auch wenn sich Scham hineinmischt, keinem Schlag oder Tritt in den Bauch, keinem Kick in die Seite weiche ich aus, im Gegenteil gehe ich hinein. Im Gesicht meiner Studentin sehe ich auf einmal eine Entschlossenheit, sie wandelt sich in eine Kämpferin, sie will mir weh tun, mir ihre Kraft und Energie zeigen und meine erwecken. Sie trifft mich mit Wucht, schmerzhaft, und doch ist jeder Treffer kontrolliert, ihre Körperbeherrschung ist atemberaubend. „Nimm die Hände hoch“, sind ihre einzigen Worte am Anfang. „Sonst tut es sehr weh, wenn ich sie treffe.“ Sie könnte Furcht erregend auf mich wirken, so wie sie mich attackiert, so wie sie eintaucht ins Verprügeln. Ich mache Dich fertig, diesen Gedanken lese ich in ihrem Gesicht, sauge ihn gierig in mich auf. Es ist so meins!
Sie treibt mich über die Matte, ich schreie, stöhne, Ja, Ja, meiner Kehle entweichen animalische Töne. Zwischendurch sacke ich zweimal in einer Ecke zusammen. Nicht weil die Schmerzen zu groß sind, sondern weil ich meine innere Zerrissenheit kaum aushalte. Was passiert hier, was ist los mit mir, rasen Gedanken durch meinen Kopf. Warum brauche ich das jetzt so sehr, verprügelt zu werden, warum gefällt mir das so gut, jenseits aller erotischen Erregung, die jetzt verschwunden ist, komplett. Es erscheint mir wie ein archaischer Tanz, wie ein Ritual, in dem eine in mir verschlossene animalisch-energetische Seite ans Tageslicht kommen darf. Ich fauche mit rauer Stimme wie ein Tier, als ich kurz in der Ecke liege. „Komm da weg, komme in die Mattenmitte“, fordert mich meine Studentin auf. Sie will verhindern, dass ich wieder ausweiche, sie kommt gerade erst in Fahrt, sie hat ihr Ziel noch nicht erreicht.
Und dann, mitten in die Schläge hinein, attackiere ich die Studentin, gehe auf sie los, wir kämpfen wieder, ich bringe sie zu Boden, erfüllt von neuer Kraft. Ich will sie besiegen, zur Aufgabe zwingen, sie wehrt sich, es geht hin und her, schließlich befreit sie sich, geht aber nicht zum Gegenangriff über. Die Studentin will mir nicht zeigen, dass sie stärker ist, sie will mir zeigen, was alles an Kraft und Energie in mir steckt. Dieses Rollenspiel ist dafür ein Anfang. Zweimal attackiere ich sie, zweimal befreit sie sich, doch das spielt keine Rolle.
Dann liegt sie über mir, ohne einen Griff anzusetzen und es kehrt Ruhe ein, die stürmische See glättet sich. Nach einer kurzen Pause erfüllt mir die Studentin, die ja auch eine liebevolle Seite hat und gnädig sein kann, einen Herzenswunsch. Ich hatte im Vorfeld geschrieben: „Am Ende, sie weiß, dass er es noch nie erlebt, es sich noch nie erlaubt hat, lässt sie ihn kommen in ihrem Mund, nicht ohne Pausen, nicht ohne von ihm zu hören, wie sehr er genau das will.“ Und so geschieht es, allerdings tut sie es auf ihre eigensinnige Art, völlig klar, noch versauter als ich es mir überhaupt vorstellen kann. Alles andere soll ungesagt bleiben. Nur noch so viel: Natürlich erhielt die Studentin die Note 1 für ihre sehr überzeugende Seminararbeit!
Hier findest du meinen Blogbeitrag über Rollenspiele: Rollenspiele


